Windows Phone 7 Series – Die Zusammenfassung

(17.03.2010 00:00 CET)

Microsoft hat am 15. Februar auf dem Mobile World Congress 2010 in Barcelona „Windows Mobile 7“ vorgestellt, das tatsächlich aber „Windows Phone 7 Series“ heissen wird. Ein radikaler Wechsel der Plattform, der Oberfläche, der Funktionen, und für viele eine faustdicke Überraschung. Nach und nach kommen immer weitere Informationen an die Öffentlichkeit, dieser Artikel soll die wichtigsten offiziellen Informationen zusammenfassen und kommentieren.

1. Hardwareanforderungen
Bisher war es so, dass jeder Hersteller sich relativ frei aussuchen konnte, welche Hardware, welchen Prozessor, welche Chassisform etc. er nehmen wollte und dann das Basis-Betriebssystem Windows Mobile darauf anpassen konnte.

Mit Windows Phone 7 Series ändert sich dies: Mindestens 1GHz muss der Prozessor haben, drei Hardwaretasten, eine 5 Megapixel-Kamera und GPS sind ebenfalls eine Anforderung. Besonders die der dedizierten Hardwaretasten (Start, Suche, Zurück) dürften für alle momentan auf dem Markt befindlichen Geräte dazu führen, dass keine Updates auf Windows Phone 7 angeboten werden können.

War anfangs noch die Aussage, dass nur WVGA-Displays zugelassen seien, so wurde diese mittlerweile relativiert: Die ersten Geräte werden tatsächlich die mittlerweile gewöhnten 800*480-Displays verwenden, später werden dann auch Geräte mit HVGA (320*480). Der Hintergedanke dabei ist, dass Entwickler bei rechenintensiven Anwendung für die geringere Auflösung entwickeln und dann auf die hohe Auflösung hochskalieren können.

Eine Einschränkung, die unerwartet kommt, ist der Verzicht auf Speicherkarten, die der Benutzer entnehmen kann. Charlie Kindel, einer der mobilen Chefstrategen, hat in einem Interview mit dem PC Magazine erklärt, dass man sicherstellen werden, dass die Geräte von Anfang an genug Speicher an Bord haben werden, damit Mediendateien und 3D-Spiele darauf Platz finden, Speicherkarten, die der Anwender entnehmen kann, werden aber nicht mehr vorhanden sein (wobei OEMs das Speicherthema durchaus über microSD-Karten abbilden können, der Benutzer darf sie aber nicht entnehmen können).

Nachdem bekannt wurde, dass keine Speicherkarten, die vom Benutzer wechselbar sind, verwendet werden können, ist die Speicheranforderung auf mindestens 8GB Flash-Speicher und mindestens 256MB RAM festgelegt worden.
Der OLED-Bildschirm der Geräte muss 480 x 320 Pixel oder 800 x 480 Pixel haben, kapazitiv (und damit Multitouch-fähig) sein und mindestens 4 Multitouch-Punkte unterstützen.

Weiterhin war auf der MIX10 dazu noch zu hören, dass auch der Zugriff auf die Speicherkarte im „Storage Mode“, also die Verwendung als externe Festplatte, nicht mehr möglich sei.

Kommentar: Was auf den ersten Blick wie eine Einschränkung aussieht, ist aus meiner Sicht eine Chance: Wie oft war ein Windows Phone auf Grund von besonderen Programmen oder Treibern langsam oder instabil? Ich kann mich in den vergangenen 10 Jahren an wenige Geräte erinnern, die nicht erst ein ROM-Update benötigten, um halbwegs sauber zu laufen. Ungerechterweise hiess es in einem solchen Fall immer „Microsoft! Klar!“, auch wenn das Basis-Betriebssystem (und nur das lieferte Microsoft) gar nicht für die Fehlersituation verantwortlich war. Die Kontrolle, die auf Grund der Anforderungen an die Hardware besteht, stellt sicher, dass das System performant und stabil läuft. Und am Ende ist es das, was der Anwender am meisten benötigt: Stabilität und Verlässlichkeit. Auch der Verzicht auf Speicherkarten ist verschmerzbar: Zum einen waren diese immer mal wieder Ursache für Probleme, weil Sektoren defekt waren und damit sonderbare Fehlermeldungen den Benutzer verwirrten, und zum anderen zeigt die überwiegende Erfahrung, dass man sich meist eine grosse Speicherkarte ins Gerät setzt... und diese dann nicht mehr wechselt.

 

2. Software und Oberfläche
Sicherlich eine der größten Überraschungen ist die komplette Umgestaltung der Oberfläche eines Windows Phones. Was bisher noch als großer Vorteil kommuniziert wurde, gehört jetzt der Vergangenheit an: Windows Phone 7 Series hat kein Startmenü mehr, sondern setzt auf eine Einfache, aber extrem flexible Oberfläche: So genannte „Hubs“ konsolidieren thematisch Informationen (so beispielsweise der „People Hub“ alles rund um die Kontakte, deren Kommunikationshistorie und deren aktuelle Status aus den diversen sozialen Netzwerken. So genannte „Live Tiles“ stellen Status dar und werden im Hintergrund aktualisiert (ein Beispiel dafür sind die Benachrichtigungen über neue Nachrichten).

Auf den ersten Blick sind die Bildschirme sehr groß und enthalten wenig Inhalt, aber genau das ist Programm: Die wichtigsten Informationen sind direkt sichtbar, für weitere Informationen wischt man einfach mit dem Finger nach links und bewegt sich mit dem Display wie mit einer Lupe über die Informationen. Plötzlich ist nicht mehr der Bildschirm die Grenze, sondern der Anwender ist Teil eines riesigen Informationsverbundes, auf den er mittels des Windows Phones strukturiert zugreifen kann. 

Diese neue Art der Oberfläche allerdings bringt einige Einschränkungen mit sich, die man beachten muss:
Zum einen ist sie komplett geschlossen: Kein Zugriff auf das Dateisystem, kein Explorer, selbst Applikationen haben nur Zugriff auf das eigene Verzeichnis. Dies bringt eine Meneg an Sicherheit für das System an sich, kann eine „schlecht geschriebene“ Applikation doch am Ende nicht mehr das ganze System in einen inkonsistenten und instabilen Zustand versetzen.

Zum anderen gibt es kein „echtes“ Multitasking mehr: Es kann nur eine Applikation laufen, allerdings wird im Unterschied zum iPhone die Möglichkeit bestehen, dass zusätzliche Benachrichtigungs-Services genutzt werden bzw. Zugriff „auf den Benutzer“ durch die Live Tiles ermöglicht wird.

Auch hier ist der Grund einfach: Das unkontrollierte Laufenlassen von Applikationen im Hintergrund führt dazu, dass das Vordergrundprogramm weniger Rechenkapazität zur Verfügung hat und somit nicht so schnell läuft, wie es eigentlich könnte. Für den Anwender aber ist dies klassischerweise ein Problem, das er mit der Plattform oder dem Gerät in Verbindung bringt, nicht aber mit seinem eigenen Nutzungs-Verhalten. Weiterhin hat das Laufen von Applikationen im Hintergrund deutlichen Einfluss auf die Akkulaufzeit des Geräts (ein einfaches Beispiel: Der Twitter-Client, der unbemerkt im Hintergrund alle 5 Minuten Tweets herunterlädt, obwohl das Gerät eigentlich „aus“ ist, verkürzt die Laufzeit des Gerätes signifikant!).

Aktuell ist es so, dass das System keine Zwischenablage hat und damit auch kein Kopieren und Einfügen von Informationen, das so genannte "Copy and Paste" unterstützt. Während dieses Aussage sich auf die aktuelle Version von WP7S bezieht, hält Todd Brix, Senior Director für Mobile Platform Services Product Management, die Hintertür offen: Man sei noch in der finalen Entwicklung von Features für das erste Release des Systems... es kann also durchaus sein, dass Copy and Paste noch bis zum Marktstart hinzugefügt wird.

Nun sind seit der Ankündigung von Windows Phone 7 Series viele Gerüchte in Umlauf gekommen, die sich um das Thema Multitasking im neuen Betriebssystem drehen, und endlich gibt es dazu eine Aussage: Applikationen werden beim Schliessen nicht wie bisher nur in den Hintergrund gestellt und laufen dort weiter, sondern sie werden im Normalfall unter Speicherung ihres aktuellen Status beendet, können aber an der selben Stelle wieder aufgenommen werden. Notifikationen wie beispielsweise der Nachrichteneingang finden aber auch bei "geparkten" Applikationen immer noch statt. Dies nennt sich "Smart Multitasking".

Der Grundgedanke: Warum würde man eine Applikation im Hintergrund laufen lassen? Vor allem, weil sie Informationen aktualisiert, beispielsweise Mails abfragt, das Wetter, die Liste der abonnierten Tweets oder Feed aktualisiert etc. Zu diesem Zweck ist aber nur ein kleiner Teil der Funktionalität nötig, und Windows Phone erlaubt hier die Aktualisierung auch im Hintergrund. Unterschieden wird zwischen "Toasts" (den momentenen Inhalt des Bildschirms überdeckenden Benachrichtigungen) und Tiles (die den Status eines Tiles, eines Elementes des Startbildschims aktualisieren). Lesenswert ist dieser Artikel, um die Gedanken hinter Windows Phone 7 besser zu verstehen.

Zu guter Letzt eine Einschränkung, die für weitaus weniger Diskussionen gesorgt hat als man erwarten könnte: Alte Applikationen für Windows Mobile laufen nicht mehr auf Windows Phone 7 Series. Dies wird der neuen Plattform, die die Basis für WP7S darstellt geschuldet (siehe auch Abschnitt 4).

Kommentar: Windows Phone ist nicht Windows Mobile, ganz eindeutig nicht: Was früher ein eher an den professionellen Anwender ausgerichtet war, wird jetzt eher zum Consumer-Produkt. Am Ende eine logische Konsequenz, denn der Consumer-Markt ist deutlich breiter und hat damit mehr Potenzial, und mehr und mehr Anwender gehen in die Richtung der Converged Devices: Ein Gerät für alle Anwendungen unterwegs. Da macht es Sinn, die Benutzererfahrung zu optimieren, das alleine war es aus meiner Sicht, was zum Erfolg des iPhones geführt hat. Und Microsoft setzt hier ganz klar auf so viel wie möglich Kontrolle: Alle Faktoren, die durch Dritte zur Instabilität oder schlechteren Performance des Geräts führen könnten, werden von vorneherein ausgeschlossen: Und sein wir ehrlich: So toll eine herstellerentwickelte Benutzeroberfläche ist, sie ärgert mehr, als dass sie nutzt, wenn das Gerät damit verlangsamt wird. Keine Frage: Einiges wird dem Gewohnheitstier fehlen: Nicht mehr auf das Dateisystem zugreifen zu können ist eine Umstellung, und dennoch: Wenn die Gesamterfahrung stimmt, ist das ein geringer Preis.

 

3. Kommunikation mit dem PC, Exchange und anderen Services
Die Synchronisation mit dem PC verzichtet auf die bisherigen Tools ActiveSync und Windows Mobile-Gerätecenter und nutzt stattdessen die Zune-Software, die in den USA für die nur dort vertriebenen Zune-Modelle über die Jahre stabil gewachsen ist. Was für viele Anwender eine Erleichterung sein wird: Nachdem Microsoft vor einigen Jahren die Synchronisation via WLAN deaktiviert hatte, findet diese bei Windows Phone 7 Series wieder Verwendung... und das gar in erweiterter Form: Befindet sich das Gerät in Reichweite des heimischen WLANs, dann startet die Synchronisation gar automatisch, „mini-Exchange“-Gefühl also auch für den Heimanwender.

Was jahrelang von vielen professionellen Anwender gefordert wurde, wird jetzt endlich wahr: Nicht nur ein, sondern mehrere Exchange-Konten können verwaltet werden. Kein Feature, dass den Privatanwender vom Hocker haut, aber eines, das bei der Weiterentwicklung von Windows Phone 7 Series in Richtung Firmenanwender Signifikanz erlangen wird.

Was Microsoft mit Windows Phone 7 ganz deutlich umsetzt, ist eine Integration der Plattform in das eigene Service-Portfolio: Die Synchronisation von Medien wird über den Zune-Marketplace unter Verwendung des Zune-Clients stattfinden. Für den Europäischen Anwender ein Novum, in den USA, in denen der Zune HD mittlerweile eine hohe Marktakzeptanz hat, ein logischer Schritt. Die dahinter liegende Infrastruktur stellt sicher, dass sich der Anwender schnell zurechtfindet, neben seinen eigenen Mediendateien auch problemlos vom Gerät weitere kaufen und herunterladen kann.

Auch die XBOX als Plattform ist schon seit einigen Jahren „erwachsen“ geworden und verwendet mit XBOX Live eine Online-Plattform, die breite Akzeptanz hat und aus diesem Grunde in Windows Phone 7 Series Berücksichtigung findet. Der XBOX Live-Hub ermöglicht es, in Kontakt zu seinen Freunden zu treten, Einladungen zu Spielen anzunehmen, Benachrichtigungen zu sehen etc. Und noch mehr: Durch die Verwendung des XNA-Frameworks als Entwicklungsumgebung ist es gar möglich, Spiele nahtlos über drei Plattformen (PC, XBOX, Windows Phone) zu spielen... mit Einschränkungen zwar, aber nichts desto Trotz so verknüpft, dass der Anwender nicht mehr zwischen Plattformen wechseln muss, sondern eine gemeinsame Benutzererfahrung erlebt.

Was Zune für die Medien ist, ist immer noch der Windows Marketplace für mobile Geräte... allerdings kommt diesem eine deutlich wichtigere Stellung zu als bisher: Applikationen können nur noch über den Marketplace bezogen werden... und damit nach einer Qualitätssicherung von Microsoft. Hintergrund einmal mehr: Das Thema der Sicherstellung der Stabilität des Gerätes.

Neu aber ist die Tatsache, dass neben der Kreditkartenzahlung auch die Zahlung über den Mobilfunkanbieter möglich ist. Applikationen können werbefinanziert sein, und ein Testmodus (der über den Entwickler direkt in der Applikation abfragbar ist) wird eingeführt. Durch die Tatsache, dass Microsoft auf der MIX10 ganz massiv die Entwickler umworben hat und schon weit vor Marktstart der Plattform bereits kostenlose Entwicklungstools bereitstellt, ist der Erfolg des Marketplace sehr wahrscheinlich. 

In einem Interview mit Tweakers.net hat Microsoft´s Charlie Kindel im Rahmen der Dutch Dev Days einige weitere Informationen bekannt gegeben... und eine davon ist wirklich bemerkenswert: Offensichtlich liegt das Updaten der Windows Phone 7-Geräte zukünftig in der Hand von Mircosoft selbst, nicht mehr in der Hand der Hersteller oder Netzbetreiber. Man wolle sicherstellen, so Kindel, dass alle Geräte die selbe Version des Betriebssystems verwendeten. Durchgeführt werde ein Update - und das ist die zweite Neuerung - über die Zune-Software (die als zentrale Synchronisationssoftware fungiert) oder over the Air, also direkt am Gerät.

Kommentar: Aus meiner Sicht der Teil, der Windows Phone 7 Series allen anderen Plattformen gegenüber einen nicht streitig zu machenden Vorteil verschafft: Ein so breites, vom Smartphone unabhängiges Netzwerk an Anwendern, wie Zune in den USA und XBOX Live weltweit hat, kann kein anderer Anbieter vorweisen, und das hat für beide Seiten Vorteile: Microsoft gewinnt über die eigenständig bereits erfolgreichen Services neue Windows Phone-Kunden, der Kunde selbst kann auf ein breites Netzwerk von Informationen und Funktionen zugreifen, ohne das Gerät zu wechseln. 

 

4. Entwicklerumgebungen

Die Plattform für Windows Phone hat eine breite Veränderung erfahren: Silverlight ist die Basis des ganzen, und auf der MIX10 wurde eindrucksvoll gezeigt, dass Silverlight-Applikationen nativ auf den mobilen Geräten laufen können. Das XNA-Framework wird für die Spieleentwicklung verwendet, wie oben schon beschrieben ermöglicht dies, dass Applikationen mit wenig Aufwand von der XBOX portiert werden können. Expression Blend in der Version 4 für Windows Phone und das neue Visual Studio 2010 Express für Windows Phone runden das Ganze ab.

Ein kostenloses Paket für Entwickler mit allen wichtigen Tools findet sich schon hier.

Für weitergehende Informationen verweise ich auf das Blog des MVP-Kollegen Peter Nowak und auf Frank Prengels Blog.

 

Fazit:

Windows Phone 7 Series verspricht der - von vielen Kritikern nicht mehr erwartete - große Wurf zu werden. Durch das Brechen mit Bewährtem, aber vielleicht nicht mehr ganz Marktkonfrmem schickt sich das ehemalige "Windows Mobile" an, verlorengegangene Marktanteile wieder aufzuholen. Die kommenden Monate werden sicherlich noch einiges an spannenden, neuen Erkenntnissen bringen...

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